Textatelier
BLOG vom: 05.04.2005

Kunst des Abwimmelns: Unangenehme Journalisten-Fragen

Autorin: Lislott Pfaff

Heute habe ich wieder einmal die ausgeklügelte Kommunikationsstrategie (firmenintern wohl „Corporate Communication Policy“ oder so ähnlich genannt) der Basler Pharmaindustrie hautnah erlebt. Um einen Text über Tierversuche so wahrheitsgetreu als möglich abfassen zu können, versuchte ich bei Novartis und Roche herauszufinden, ob sie, wie es bisher der Fall gewesen war, immer noch Auftraggeberinnen für Gifttests an Beagle-Hunden oder anderen Tierarten bei der berüchtigten Tierforschungsanstalt RCC Research and Consulting Company in Itingen BL seien.

 

Aber ohalätz! Recherchen bei Weltkonzernen sind nicht so einfach! Auf meine entsprechende Anfrage hin teilte mir der zuständige Pressesprecher bei Roche kurz und bündig mit, die Firma gebe darüber keine Auskunft. Punktum. Da wusste ich wenigstens, woran ich war. Allerdings wurde ich den Verdacht nicht los, dass Roche immer noch Auftraggeberin bei der RCC sei. Komplizierter war die Sache bei Novartis. Herr XY, zuständig – so glaubte ich wenigstens – für den Bereich „Swiss Media“, versprach mir, diese Frage abzuklären und mir später Bescheid zu geben.

Bescheid bekam ich dann von einem Herrn, der sich als einer der 3 Novartis-Tierschutzbeauftragten zu erkennen gab. Er bat mich, meine Frage schriftlich zu stellen und zu begründen, weshalb ich sie stelle. Denn Tierversuche seien generell ein heikles Thema, obwohl natürlich bei seiner Arbeitgeberin in dieser Hinsicht alles in bester Ordnung sei. Aber er wolle sich absichern, um nicht später eventuell für irgendetwas belangt zu werden, was er nicht gesagt habe. Eine Antwort werde ich aber sicher erhalten. Ich hatte Verständnis für diese Bedenken und schickte ihm meine Frage samt Begründung per E-Mail. Diesmal, so hoffte ich, konnte es nicht mehr schief gehen.

 

Nach einiger Zeit meldete sich eine Dame mit energischer Stimme. Herr XY sei nicht mehr zuständig für „Swiss Media“, dafür sei jetzt sie da. Was beweist: Die Gleichstellung der Frauen wird bei Novartis ernst genommen. Leicht irritiert stellte ich nochmals meine Frage, und wieder wurde ich auf eine baldige Antwort vertröstet. Leider hatte ich aber keine Gelegenheit mehr, Informationen von der energischen Dame entgegenzunehmen. Dafür rutschte am gleichen Nachmittag eine E-Mail in meinen Outlook-Briefkasten. Sie war unterzeichnet vom Verantwortlichen der „Global Media Relations“ von Novartis International AG – ich war also auf der journalistischen Karriereleiter von der schweizerischen zur globalen Medienwelt aufgerückt, was mich mit einem gewissen Stolz erfüllte. Eine Antwort auf meine spezifische Frage erhielt ich hingegen auch aus dem globalen Bereich nicht. Was bei mir wiederum den Verdacht aufkommen liess, dass man die Wahrheit verschweigen will: Auch Novartis scheint wie früher immer noch Auftraggeberin für Tierversuche bei RCC zu sein.

 

Der Inhalt der Mail aus dem Bereich der globalen Medienbeziehungen war ja nun wirklich nicht neu für mich, aber er übertraf hinsichtlich leerer Floskeln meine bisherigen Erfahrungen mit den Basler Pharmaleuten: Tierversuche seien „im Rahmen der Entwicklung von Medikamenten und der Überprüfung der Toxizität von verwendeten Substanzen unumgänglich“, hiess es da. Habe ich auch schon gehört . . . Und da Novartis nicht alles allein machen könne (klar, bei den Zehntausenden von Tierexperimenten, die jedes Jahr als „unumgänglich“ erachtet werden), würden entsprechende Aufträge an „akkreditierte Kontraktinstitute“ vergeben (was immer „akkreditiert“ bedeuten mag, habe ich nicht erfahren). Diese Institute würden von Novartis überprüft; es werde kontrolliert, ob „die Haltung der Tiere und die Durchführung der Experimente im Einklang sind mit der von Novartis vertretenen Tierschutz-Politik (Novartis Global Policy of Animal Welfare)“.

 

Nun wurde kurz vor Ostern im deutschen Baden-Baden ein Lastwagen mit 100 fast verdursteten und verhungerten Beagle-Welpen entdeckt, der von Holland kam und dessen Fracht präzis für die RCC bestimmt war – für ein „akkreditiertes Kontraktinstitut“. Zu deren Kundschaft offenbar auch Novartis gehört oder zumindest gehört hat . . . Was die Durchführung der Experimente in den RCC-Labors anbelangt, so sei lediglich daran erinnert, dass der Schweizer Tierschutz (STS) vor 2 Jahren gegen dieses Institut eine Strafanzeige wegen Tierquälerei einreichte. Dabei wurde unter anderem publik, dass mit Gift beladene Magensonden bei Hunden in die Luftröhre statt in den Magen gestossen worden waren, was zum qualvollen Tod der Tiere führte. Zum guten Ruf der Pharmabranche trägt das nicht gerade bei.

 

Novartis melde alle geplanten Versuche an das zuständige Veterinäramt, stand ferner in der erwähnten Mail. Das sind nun wahrhaftig keine heldenhaften Outings, denn diese Tierversuchs-Gesuche sind vom Gesetz ohnehin vorgeschrieben. Den Labortieren nützen sie aber wenig – es ist etwa so, wie wenn Folterungen an Menschen zuerst irgendeiner Behörde gemeldet würden, bevor sie vollzogen werden. Die Versuche würden nur dann durchgeführt, wenn sie von den entsprechenden Behörden bewilligt seien, besagte die Mail-Mitteilung schliesslich. Was in über 99 % der Fälle geschieht: Von den 916 Tierversuchs-Gesuchen, die 2003 in der ganzen Schweiz eingereicht worden waren, wurden ganze 6 Gesuche (0,6 %) von den kantonalen Behörden abgelehnt. Obwohl diese den grössten Teil der Tierversuche gar nicht genehmigen dürften, wenn sie sich an die gesetzlichen Bestimmungen halten würden.

 

Dort ist nämlich festgehalten, dass ein Tierversuch nicht bewilligt werden darf, wenn sein Ziel mit einem Verfahren zu erreichen ist, das ohne Tiere auskommt. Solche Verfahren gibt es. Besonders effizient wäre die Computersimulation (virtuelle Darstellung menschlicher Organe auf dem Bildschirm). Pikanterweise sprach im Juni 2004 ein Informatiker von Novartis  in einer Sendung von Radio DRS über diese Alternativmethode. Sowohl Toxizitäts- als auch andere Tests mit neuen Substanzen könnten zum Vorteil der Pharmaforschung mit Hilfe dieser modernen Technologie vorgenommen werden. Der grösste Teil der Tierversuche ist also, streng genommen, illegal, da – wie es das Gesetz fordert – durch andere Methoden ersetzbar. Würden diese tierversuchsfreien Ersatzmethoden endlich in der Praxis eingeführt, könnten sich nicht nur die Basler Pharmakonzerne unangenehme Nachfragen von Journalisten ersparen.

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